Civilization V: Eine Liebeserklärung

Ich bin sauer, stinksauer. Mein Blick ruht auf dem Bildschirm und meine Miene verfinstert sich. Ich überlege kurz, lasse meine Finger knacksen, strecke meine Hände in die Höhe und rufe „Das bedeutet Krieg!“. Katharina die Große ist verdutzt, reagiert aber, wie jeder Andere in solch einer Situation auch reagieren würde. Sie erklärt mir ebenfalls den Krieg. Eine Entscheidung, welche sie 15 Jahre später zutiefst bereuen wird, denn dann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich ihr Land mit meinen Atomraketen heimsuchen werde und schon bald ist ihre Nation Geschichte!

Zu extrem? Vielleicht, denn eigentlich wollte ich diese Partie ja friedlich sein. Keinen Krieg anzetteln, diplomatisch als freundliches Lamm agieren, das sich den anderen Nationen beugt. Aber dann musste ja dieser unfreundliche babylonische Herrscher kommen mit seiner verdammten … Halt, ich sollte nicht ausfallend werden, denn im Jahre 2127 n. Chr. ist nicht mehr der bärtige König die größte Gefahr sondern ich selbst. Schließlich war ich es, der auf einmal verrückt gespielt hat und alle Nationen angriff, die nicht bei drei ihre sämtlichen Luxusgüter an mich abgegeben haben. Vielleicht bin ich aber auch das Opfer der Gier nach Macht, nach Größe. Sie ist mit mir durchgegangen und dabei fing alles ganz harmlos an – wie immer wenn ich Civilization V spiele. Denn eigentlich bin ich ganz harmlos. Bis, ja bis eine Nation mich verärgert oder ich meinen guten Freund entdecke: Die Atombombe.

Aber genau aus diesem besonderen Grund liebe ich Civilization V. Ich kann mir kaum etwas schöneres vorstellen als die Welt ein weiteres Mal einzunehmen; Strategien auszutüfteln und dann wie bei einer Partie Schach meinen nächsten Zug zu machen. Und wer als Kind auch einmal von der Weltherrschaft geträumt hat, der darf sich mir jetzt anschließen und begleiten nach asdfgg123 (ja, meine Spielstände sind äußerst gut sortiert), eine Welt voller virtueller Kriege und unglaublich viel Spaß.

Eine Stunde nach der Kriegserklärung stehe ich vor einem Scherbenhaufen. Katharina und ich, der demokratisch bestimmte und diktatorisch agierende Monarch Japans, führen einen erbitterten Zweifrontenkrieg. Im Osten habe ich ganz klar die Überhand und dränge die Russen immer weiter in ihr eigenes Territorium zurück. Im Westen sind meine Panzer in der Zwischenzeit zu eisernen Statuen geworden und die einzelnen verbliebenen Soldaten stehen einer Armee Kavalleristen gegenüber. Mittlerweile ist auch mein verbündeter Gustav Adolf von Schweden in den Krieg eingestiegen und versucht im Norden die Niederländer, um Wilhelm von Oranien, seines Zeichens Verbündeter der Russen, daran zu hindern, in die Nähe von Tokio zu kommen.

Die Bevölkerung meines Landes ist wütend. Alle Gelder fließen in das Militär und für Nahrung kann ich beim besten Willen momentan nicht sorgen. Dieser Krieg verlangt mir und meinen Mitstreitern alles ab. Meine Rüstungsproduktion läuft auch Hochtouren und produziert jede Runde neue Panzer und Jets, die ich sofort an die westliche Front schicke. Der Versuch das russische Gebiet mit meiner einstmals so mächtigen Flotte zu flankieren und mit meinen U-Booten die feindlichen Kriegsschiffe präventiv zu zerstören, ist schon längst wortwörtlich über Bord geworfen worden. Viel zu ungewiss ist mir dieses Gewässer rund um das russische Reich – da hat dieser Wilhelm doch sicher das eine oder andere U-Boot … Bum! Verdammt, ich wusste es.

Da passt man ein einziges Mal nicht auf und schon kommt dieser Schuft mit einem Unterwasser-Torpedo um die Ecke. Schnell wird eine neue Strategie entwickelt. Zum Glück habe ich in dem Stadtstaat Hongkong einen Verbündeten und was für ein Zufall, dass deren Gebiet direkt an das dieses hinterhältigen Schuftes grenzt. Ich schicke also eine Staffel Fallschirmjäger vorbei und widme mich im “nuklearen Hinterland” weiterhin dem Bau meiner atomaren Killer-Roboter-Armee; das “nukleare Hinterland” steht dabei übrigens für das frühere brasilianische Reich, das ich im zweiten Weltkrieg gemeinsam mit Russland eingenommen habe, nachdem der damalige Herrscher, sein Name ist längst in Vergessenheit geraten, meinte, er müsse ständig alle Staaten denunzieren.

Ich blicke gerne an diese Zeit zurück. Es war rund 200 Jahre nachdem Japan im ersten Weltkrieg Marokko und Babylon fast alleine zur Strecke gebracht hatte – man kappt auch nicht einfach die Handelsverbindung mit den Samurai. Es war eine einfache Schlacht, ohne große Verluste. Damals war mein Verhältnis mit Russland noch sehr offen und freundschaftlich und sie erlaubten mir nach ein wenig Bestechung mit Elfenbein auch meine Truppen durch ihr Land ziehen zu lassen. Somit konnte ich Marokko von Norden und Babylon vom Osten aus angreifen, was mir praktisch den gesamten Süden des großen Kontinents sicherte.

Vermutlich begann hier dann aber auch der Ärger mit Russland. Schließlich brachte ich sie durch  dieses taktische Manöver in die ungünstige Lage, dass sie auf dem Kontinent keine Chance mehr hatten sich auszubreiten und sie somit nach Brasilien aufbrachen – wo wir dann auch 200 Jahre später und beim zweiten Weltkrieg wären.

Jener war übrigens auch recht gemütlich, da sich Schweden und die Niederlande komplett aus dem Konflikt heraushielten und somit lediglich Russland und ich als mächtiger Herrscher Japans gegen das kleine Reich in den Krieg zogen. Das Zauberwort lautete hier Atombombe. Jene hatte ich nämlich als erstes Land erforscht und was wäre denn ein besserer Zeitpunkt gewesen als ihre Wirkung gegen Brasilien zu testen? Also produzierte ich die erste Vernichtungswaffe packte sie in ein Flugzeug und schickte sie nach Brasilia, wo sich auch sogleich einen riesigen Pilz hinterließ. Demselben Schicksal unterlag dann auch noch Rio de Janeiro, Salvador flankierte ich von der Küste mit Truppen und Russland schnappte sich vor meinen Augen São Paulo – ein Schachzug, der dann auch zu unserer Separation führte; schließlich hatte ich die ganze Vorarbeit geleistet und diese Katharina überhaupt nichts!

Aber zurück in die Gegenwart und zum dritten und hoffentlich letzten Weltkrieg. Von Runde zu Runde wird meine Bevölkerung wütender. Da lässt man die Nahrung mal außen vor und setzt alle Ressourcen in die Produktion von militärischem Spielzeug und schon sind alle unzufrieden. Besonders die annektierten Städte des ehemaligen Marokko scheinen seit gut 10 Jahren an einer Hungersnot zu leiden, die einfach nicht vorbei gehen will.

Moment, 10 Jahre?

Ja, dieser Krieg geht tatsächlich schon 10 Jahre und mittlerweile steht auch nur noch Rotterdam als letzte Stadt der Niederländer und ihres größenwahnsinnigen Herrschers. Auf der russischen Seite sieht es dagegen sehr unschön aus. Unsere Grenzen haben sich keinen Zentimeter verschoben, da ich einfach nicht die Mauern von Rostow und St. Petersburg in Schutt zerlegen kann. Zwar sind meine Truppen weit in russischem Territorium, aber sie verzweifeln an den Bollwerken von Katharina der Großen.

Ich brauche also einen neuen Plan, aber zuerst muss ich Wilhelm endlich unschädlich machen; ich hatte da ja noch meine atomare Killer-Roboter-Armee, welche getestet werden muss bevor ich sie gegen meinen wahren Feind einsetzte. Und siehe da, nach zwei verzweifelten Friedensangeboten der Niederländer und acht weiteren Runden, gehört Rotterdam mir und ich kann mich komplett auf Russland konzentrieren. “Eine weitere Atombombe muss her”, ist der erste Gedanke, welcher mir durch meinen Kopf schießt, aber schon eine Sekunde später merke ich, dass meine genialen Wissenschaftler noch etwas viel besseres als eine bloße Bombe entdeckt haben: Die Atomrakete. Stärker und somit effektiver kaufe ich gleich fünf von den Vorboten des Friedens und schicke sie in Richtung St. Petersburg. Der Pilz ragt erneut in den Himmel, ich erinnere mich an Brasilien und muss lächeln. Nicht etwa weil die Zerstörung Spaß macht, sondern vielmehr da meine Strategie aufgegangen ist.

Civilization V, du bist großartig. Und jetzt eine neue Partie. Dieses Mal bleibe ich sicher friedlich und ich hoffe, dass ich dem einen oder anderen durch diesen Text vielleicht auch dazu gebracht habe einmal einen Blick zu riskieren.


 

Bilder: Firaxis Games / 2K Games

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Lukas

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1 Kommentar

  1. Krawallier
    Krawallier Mai 29, 2015 1:04 pm  Antworten

    Ich liebe diese Reihe und finde es schade das sie so selten ihren Weg auf Konsole finden. Civi 5 auf der PS4 würde ich sofort kaufen.

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